Sefan Nungesser über Innovationen und die Verantwortung der Hochschulen

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Photo: Helge Bauer 

Professor Stefan Nungesser im Gespräch mit Chefredakteurin Vivien Schulter

 

 

FRAGE: Herr Nungesser, Sie sind Hochschulprofessor und begleiten viele junge Menschen am Weg in den Tourismus/Hotellerie. Wie wird an der Uni, dass Thema Innovationen in der Hotellerie gehandhabt?
An der FH liegt der Fokus unseres Bachelor-Studiums zunächst auf grundlegenden Themen, aber wir integrieren regelmäßig innovative Ansätze aus der Hotellerie. Wir analysieren neue Konzepte, insbesondere hybride Beherbergungsmodelle, die Elemente erfolgreicher Strategien kombinieren. Ein Schwerpunkt liegt auf Digitalisierung, wobei wir regelmäßig Anbieter einladen, um den Studierenden die neuesten Lösungen von Hotelsoftware bis hin zum Einkaufsmanagement zu präsentieren. Wir behandeln auch praxisnah Themen wie KI und betonen die Vielfalt der Möglichkeiten. Zudem betrachten wir Mitarbeitererfahrungen im Personalmanagement und integrieren das Thema in die Entwicklung von Hotelkonzepten in unseren Projekten.
 
Welche aktuellen Trends und Innovationen prägen Ihrer Meinung nach die Hotellerie?
In der Tat, die Hybridität ist ein zentraler Aspekt, den ich bereits angesprochen habe. Wir erleben momentan weniger bahnbrechende Neuerungen in unserer Branche, jedoch entstehen dennoch spannende Konzepte, die den Markt genau analysieren und daraus Elemente herausfiltern, die sie in ihre Konzepte integrieren. Insbesondere im Bereich der Beherbergung ist Nachhaltigkeit ein treibender Faktor. Bei der Planung von Hotelzimmern stellen wir uns die Frage, wie wir nachhaltig vorgehen können. Dies beinhaltet die smarte Steuerung ebenso wie die Verwendung von recycelbaren Materialien oder die Möglichkeit des Upcyclings. Diese Überlegungen prägen auch unsere Entscheidungen in Bezug auf Reinigung und Pflege, wo wir vermehrt auf biologische und umweltfreundliche Materialien achten, um die Reinigungsprozesse nachhaltiger zu gestalten und den Einsatz von Chemikalien zu reduzieren.
Wir sind dabei stark von den Produzenten und Zulieferern der Branche abhängig, weshalb wir oft nicht nur unsere eigenen Konzepte entwickeln, sondern auch Innovationen aus anderen Bereichen übernehmen und in unseren Betrieben umsetzen. Ein weiteres wichtiges Thema betrifft die Verpflegung (F&B), wo Nachhaltigkeit schon seit Jahren im Trend liegt, insbesondere durch die Nutzung regionaler Produkte. Nun jedoch treibt uns auch die Integration von KI-basierten Ansätzen dazu an, noch nachhaltiger zu werden, indem wir beispielsweise Lebensmittelverschwendung reduzieren und Ressourcen effizienter nutzen.
Diese Herausforderungen und Chancen wirken sich auf alle Bereiche unseres Hotelmanagements aus, angefangen bei Marketing und Vertrieb bis hin zum Personalwesen. Auch wenn externe Einflüsse wie unsere Lieferanten und Partner eine Rolle spielen, ist es entscheidend, dass wir uns auf unsere individuellen Stärken besinnen und uns darauf konzentrieren, in unserem Service und der Gästeansprache innovativ zu sein. Es ist normal, dass wir als Branche von verschiedenen Seiten beeinflusst werden, doch es wäre wünschenswert, wenn wir uns vermehrt auf unsere Kernkompetenzen fokussieren und daraus zb. Richtung, Service oder Ansprache der Gäste noch kreativer und innovativer agieren könnten.
 
Während meiner Ausbildungszeit Ende der 90er Jahre war das Bewusstsein für Innovation noch nicht so ausgeprägt. Wie beurteilen Sie die Innovationsbereitschaft der heutigen Studentinnen und Studenten?
Unsere Rolle in der Ausbildung ist entscheidend, da wir nicht nur auf wichtige Themen hinweisen und unsere Studierenden sensibilisieren können, sondern auch die Aufgabe haben, sie für Neuerungen zu öffnen. Dabei beobachten wir, dass einige unserer Studierenden zurückhaltend oder sogar skeptisch gegenüber Innovationen sind. Viele von ihnen schätzen jedoch die persönliche Interaktion mit Gästen als das Herzstück der Hotellerie, was auch der Grund dafür ist, dass sie in dieser Branche bleiben möchten. Dennoch ist es wichtig zu erkennen, dass die Digitalisierung uns viele Chancen bietet, Zeit zu sparen und Routinetätigkeiten zu reduzieren. Während einige unserer Studierenden anfangs möglicherweise konservativer in Bezug auf neue Technologien sind, erkennen sie schnell die Vorteile, die diese mit sich bringen können.
Unsere Aufgabe besteht darin, sie dazu zu befähigen, die Vor- und Nachteile von Innovationen sorgfältig abzuwägen, nicht nur in Bezug auf operative Abläufe und Prozesse, sondern auch hinsichtlich der Mitarbeiterbeteiligung und der Auswirkungen auf die Gästeerfahrung. Wir möchten sie nicht nur mit einzelnen Innovationen vertraut machen, sondern sie dazu ermutigen, das gesamte Ökosystem des Hotels ganzheitlich zu betrachten und entsprechend zu gestalten.
 

Wie können Studenten durch ihre Perspektive und ihre Ideen dazu beitragen die Hotellerie zukunftsfähiger und innovativer zu gestalten?

Ich bin fest davon überzeugt, dass junge Menschen eine natürliche Affinität zu Technologie und digitalen Werkzeugen haben. Sie sind experimentierfreudig und probieren gerne neue Funktionen aus, sei es im privaten Umfeld oder im Umgang mit ihren Smartphones. Diese Fähigkeit und Offenheit sollten auch in den Unternehmenskulturen unserer Hotels eine zentrale Rolle spielen.
Es fällt mir auf, dass viele Hoteliers überrascht sind, wenn sie feststellen, wie offen ihre Mitarbeiter für neue Technologien sind. Oft sind es gerade die jungen Angestellten, die einen frischen Wind in die Betriebe bringen und bereit sind, neue Wege zu gehen, wenn es um Effizienz und Innovation geht. Dieser Enthusiasmus spiegelt sich auch in den Erwartungen der Gäste wider, die zunehmend digitale Lösungen und Annehmlichkeiten erwarten.
In der digitalen Transformation benötigen wir nicht nur den Willen, neue Technologien zu nutzen, sondern auch eine Unternehmenskultur, die sich anpassen und weiterentwickeln kann. Es ist wichtig, alle Mitarbeiter einzubeziehen und sie auf dieser Reise mitzunehmen. Natürlich gibt es immer einige, die skeptisch sind, aber wenn es gelingt, junge und ältere Mitarbeiter gemeinsam an einem Strang ziehen zu lassen, können wir gemeinsam positive Veränderungen herbeiführen.
 
Welche Rolle spielen Bildungseinrichtungen wie Ihre Hochschule dabei, dass Bewusstsein für Innovationen in der Hotellerie zu schärften und Studierende darauf vorzubereiten?
Fachhochschulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen im Bereich Tourismus tragen eine immense Verantwortung, da unsere Branche in vielen Belangen tendenziell veränderungsresistent ist und es ihr oft schwerfällt, sich neuen Entwicklungen anzupassen. In einer zunehmend volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen (VUCA) Welt ist es für uns Lehrende oft eine Herausforderung, Schritt zu halten.
Daher glaube ich, dass es vor allem darum geht, das Bewusstsein der Studierenden zu schärfen und sie für Offenheit zu sensibilisieren. Es ist entscheidend, dass sie die Fähigkeit entwickeln, bewusst zu entscheiden, welche Technologien und Methoden sie einsetzen wollen und welche nicht. Dabei ist es wichtig, ihnen einen Überblick über die Möglichkeiten zu geben, auch wenn sich diese Landschaft rasch verändert.
Als Hochschule sind wir gefordert, unsere Curricula regelmäßig zu aktualisieren, um den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden. Ein Beispiel dafür ist unser überarbeitetes Bachelor-Curriculum, das im Herbst eingeführt wird. Hier legen wir einen verstärkten Fokus auf Themen wie Nachhaltigkeit, Ethik und den Umgang mit Daten. Obwohl Themen wie Daten systematisch zu sammeln und entsprechend analysieren zu können bei den Studierenden nicht unbedingt beliebt sind, sind sie notwendig, um eine solide Grundlage für bessere Entscheidungsfindung und effektive Nutzung von KI zu schaffen. Es ist unsere Aufgabe, die Studierenden auf dem neuesten Stand zu halten und sie für die Anforderungen der Zukunft zu rüsten.
 
Die Hotellerie ist ja auch sehr traditionell. Das schränkt halt auch immer wieder die Innovation ein. Hier empfinde ich es als wichtig eine gute Balance zu schaffen, dass man trotz Tradition innovativ bleibt. Wie sehen Sie das?
Die Tradition finde auch ich sehr wichtig. Wenn wir einen Blick auf die Hotellerie über einen längeren Zeitraum werfen, stellen wir fest, dass einige der bedeutendsten Innovationen in unserer Branche aus traditionellen Betrieben stammen. Beispielsweise wurden SPA- und Wellness-Einrichtungen sowie das Bio-Thema bereits vor Jahrzehnten von Privathotels vorangetrieben, nicht von großen Hotelketten. Dies unterstreicht die Stärke und den Innovationsgeist der privat geführten und familiengeführten Hotels, insbesondere hier in Österreich.
Diese Betriebe zeichnen sich durch ihre tiefe Verwurzelung in der Tradition und ihre einzigartigen Geschichten aus. Sie haben es geschafft, Tradition und Innovation miteinander zu verknüpfen, was unserer Branche eine besondere Note verleiht. Diese besondere Mischung findet man nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland, der Schweiz und Südtirol. Sie wird maßgeblich von den Strukturen der Familienbetriebe geprägt, die Raum für Kreativität und persönliche Note bieten.
 
Wie können kleine und mittelständische Hotels von Innovationen in der Hotellerie profitieren, insbesondere im Vergleich zu großen Hotelketten?
Viele Hoteliers sind stark in ihren Betrieb eingebunden, was ihnen oft wenig Zeit für Weiterbildung und Informationsbeschaffung lässt. Daher ist es entscheidend, dass es effiziente Plattformen und Austauschformate gibt, die es ihnen ermöglichen, sich schnell über aktuelle Entwicklungen zu informieren.
Verbände wie die Wirtschaftskammer bieten hierbei Unterstützung, jedoch ist auch individuelle Eigeninitiative wichtig. Klassische Veranstaltungen können hilfreich sein, sind aber nicht immer praktikabel. Deshalb sollten Hoteliers auch die Möglichkeit nutzen, sich über Online-Plattformen und -Foren weiterzubilden und mit anderen Fachleuten zu diskutieren. Dieser Austausch ist von großer Bedeutung, um rasch relevante Impulse zu erhalten und fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Für Hoteliers ist es unerlässlich, dass die Branche und ihre Zulieferer Dienstleistungen anbieten, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Gut aufbereitete Informationen und innovative Lösungen sind grundlegend, um Fortschritte in ihren Betrieben zu erzielen. Daher sind zuverlässige und umfassende Informationsquellen unabdingbar, um die besten Innovationen für ihr Unternehmen zu identifizieren und umzusetzen.
 
Ich höre heraus, dass es wichtig ist, bewusst Zeitfenster einzuplanen, um mit der Geschwindigkeit der Innovationen Schritt zu halten?
Ja. An unserer Hochschule haben wir begonnen, auch Weiterbildungsformate anzubieten, die kürzer sind und nicht mehrere Monate oder Wochen dauern müssen, sondern kompakter gestaltet sind. Wir bieten jetzt Micro-Credential-Kurse an, die es den Teilnehmern ermöglichen, sich gezielt auf bestimmte Themen vorzubereiten. Diese Kurse decken Management-Themen sowie andere relevante Bereiche ab, die an unserer Hochschule angeboten werden. Obwohl sie möglicherweise nicht immer spezifisch auf bestimmte Lösungen ausgerichtet sind, ist es gerade deshalb wichtig, dass es qualitativ hochwertige Plattformen gibt, auf denen man sich informieren kann - wie beispielsweise Hotelimpulse.
 
Das ist ein wunderbar passender Abschluss. Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihr Engagement. Ich freue mich bereits auf unseren nächsten Austausch.
FH-Prof. Dipl.-Betrw. (FH) Stefan Nungesser ist Professor und Programmleiter für Hotelmanagement an der Fachhochschule Kärnten. Zuvor war er Senior Berater bei der TREUGAST Solutions Group in München. Neben der Beratung von kleinen und mittelständischen Hotels erstellte er Gutachten für Hotelprojekte im In- und Ausland. Als Leiter des TREUGAST International Institute gab er zahlreiche Branchenwerke mit heraus. Er war Lehrbeauftragter an der Hochschule München und ist bis heute Trainer bei Weiterbildungsstudiengängen. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen im strategischen wie operativen Hotel- und Gastronomiemanagement, Hotelmarketing und -vertrieb, Mitarbeiter- und Servicequalität in der KMU-Hotellerie und Gastronomie sowie im Nachhaltigkeits- und Personalmanagement im Tourismus.